Christus der gute Hirte

Im Anschluss an das, was uns das Glaubensbekenntnis über Menschwerdung und Geburt des Sohnes Gottes zu berichten weiß, ist in den letzten Predigten von Christus dem Wundertäter, von Christus dem Lehrer, von Christus dem Meister der Apostel die Rede gewesen.

Heute soll Christus nochmals unter einem anderen Aspekt geschildert werden:

Christus, der gute Hirte!

Mit besonderer Vorliebe hat ja der göttliche Heiland sich selbst und sein Verhältnis zu den Menschen im Bild des guten Hirten geschildert und wir fühlen aus den Guten-Hirten-Gleichnissen des Herrn (bei Jo 10,1-16 und Luk 15,3-6) so warm heraus, wie stark in ihm die Hirtenliebe, die Hirtensorge und die Hirtenfreude ist und zwar jedem einzelnen Menschen gegenüber und allen gegenüber, wie sie zusammengeschlossen sind zur Herde Christi in der Kirche.

Die Hirtenliebe Christi:

Er gibt sein Leben für seine Schafe.

Das ist so schnell gesagt, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, und doch, diese Tatsache: Der gute Hirte gibt sein Leben für seine Schafe, ist nicht etwas Selbstverständliches, sondern der höchste Beweis seiner Liebe zu uns.

Wir brauchen ja nur überlegen, wer es ist, der da sein Leben hingibt, und was für ein Leben, und in welchen Tod hinein, und für wen?

So viel sind wir Menschen, wir Sünder, dem menschgewordenen Sohn Gottes wert.

Bei der hl. Messe haben wir es gern gesungen: „O mein Heiland, welche Pein hast am Kreuze du erduldet. Für mich Sünder tratst du ein, littest das, was wir verschuldet!...“

Ja, gerade in seinem Erlösertod am Kreuze hat der Heiland am schönsten und ergreifendsten seine Hirtenliebe bewiesen: Der Mietling will alles von den Schafen, der gute Hirte gibt alles für die Schafe! Alles, bis zum Opfer des Lebens, bis zum letzten Blutstropfen. Er gibt sein Leben hin. Und was ist das doch für ein Leben? Und welcher Tod ist es, durch den sich der gute Hirte Christus sein Leben nehmen lässt für seine Schafe?

Die Hirtensorge des guten Hirten Jesus Christus: „Ich kenne die Meinen...“ Er weiß, was ihnen nottut, er sorgt für sie. Und darum die Gnadenhilfen und darum die Sakramente und darum das Wort Gottes usw. usw. Es steckt hinter allem, was uns Christus in der Kirche anbietet, die Sorge des guten Hirten dahinter, der sich sorgt um die Seinen, der sie auf gute Weise führt, der sie schützt und der sie ewig glücklich machen möchte.

Und die Hirtenfreude des guten Hirten Jesus Christus: Wenn er ein Schäflein, das verlorengegangen war, das sich verirrt hatte, zurückfindet zur Herde. Es geht ihm dabei wirklich um jedes einzelne Schäflein, um jede einzelne Seele. Und es geht ihm zugleich um die ganze Herde, die er einig wissen möchte. Und so geht sein Blick in die ferne Zukunft und der Herr sieht über die Grenzen, die sein Volk umschlossen, hinaus bis an die Grenzen der Erde, wo immer Menschen wohnen, hinaus in die Zeiten und die kommenden Geschlechter. Und er sagt: „Auch die muss ich führen“ ... zum Vater. „Auch die werden meine Stimme hören“ .... sein Wort des Lebens. „Und es wird eine Herde und ein Hirte sein“. Das ist der freudige, trostvolle Ausblick, der dem Heiland den eigenen Opfertod am Kreuze versüßt ... und darum gibt er nach seiner Auferstehung seinen Hirtenstab weiter an Petrus mit den Worten: „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe!“

Und unter Petrus beauftragt er die Bischöfe und Priester, seine Lämmer und Schafe auf gute Weide zu führen und vor ihnen herzuziehen im Geiste seiner Gut-Hirten-Liebe und Gut-Hirten-Sorge!

Wir feiern heute den Weltgebetstag um geistliche Berufe im Priester- und Ordensstand! Ja, diese Berufe, die die Guten-Hirten-Liebe des Guten Hirten Jesus Christus weitertragen und sich selbstlos, opferbereit und seeleneifrig um die Herde Christi, des Guten Hirten, kümmern und sorgen, sind so wichtig, gerade in einer Zeit, wo wie selten einmal so stark der Wolf in die Herde Christi einbricht und die Schafe zerstreut und vernichten will und wo Diebe und Räuber in die Herde der Schafe Christi eindringen, nur „um zu stehlen, zu schlachten und zu verderben“.

Aber gerade in unserer Zeit sind jene Menschen, die sich von der Liebe des Guten Hirten anstecken lassen, so selten geworden. Priestermangel und Mangel an Ordensschwestern und Ordensbrüdern in weltweitem und bedrückendem Ausmaß, so dass Pfarreien ohne Priester, ohne Seelsorger sind und Klöster, Altersheime, Kinderheime, Krankenhäuser keine ideal gesinnten Ordensschwestern mehr haben und darum solche Häuser der Reihe nach aufgelöst werden müssen! Wie traurig ist das und was für ein Verlust für die Kirche, für das Reich Gottes! Mit Recht hat doch der heilige Pfarrer von Ars gesagt: Lasst ein Dorf jahrzehntelang ohne einen guten Seelsorger und die Menschen in diesem Dorf werden in religiöser und sittlicher Hinsicht verwildern!

Leider ist das heute gar manchmal schon der Fall!

Was ist da zu tun?

„Berufe fehlen nicht, sie sterben!“ So sagte einmal Kardinal-Erzbischof Suhard, der von 1940 bis 1949 die schwierige Großstadtdiözese Paris leitete. – Er war damals schon tief beunruhigt über den Schwund christlichen Lebens in der Hauptstadt Frankreichs und sammelte damals in der Doppel-Mission von Paris und von Frankreich ideal gesinnte Priester und Ordensleute für die innere Mission.

„Berufe fehlen nicht, sie sterben“. Was wollte jener Erzbischof damals mit diesen Worten sagen? Er meinte: geistliche Berufe, Ordensberufe und vor allem Priesterberufe wären auch in schwierigsten Zeiten genügend vorhanden. Aber wenn nicht um sie gebetet wird, wenn sie nicht umsorgt und gepflegt werden, gehen sie zugrunde...

Um geistliche Berufe beten! Das wäre das Erste, da heute immer wieder geschehen sollte. Es ist schon auffallend, wie unser Herr Jesus Christus seine Jünger aufgefordert hat, „ohne Unterlass“ zu beten und nicht nachzulassen, und uns dann in seinem Gebet, im Vaterunser ganz allgemein die großen Anliegen angegeben hat, um die wir immer wieder und ohne Unterlass beten sollten: vor allem um die Verherrlichung des Namens Gottes, um die Erfüllung des Willens Gottes und um das Kommen des Reiches Gottes; dann würde Gott auch die uns Menschen ganz persönlich betreffenden Anliegen berücksichtigen: er werde uns dann auch das tägliche Brot geben und uns alle Sündenschuld vergeben und uns vor dem Bösen bewahren und nicht in Versuchung fallen lassen. Ja, das sind die ganz großen Gebetsanliegen, die uns der Herr in den sieben Bitten des Vaterunsers ganz allgemein ans Herz gelegt hat. Aber eine Sorge hat er uns ganz konkret ans Herz gelegt und uns förmlich bestürmt, immer wieder um diese Anliegen betend und bittend vor den Vater im Himmel hinzutreten.

Es ist die Sorge um die geistlichen Berufe, die Sorge um Arbeiter im Weinberg des Herrn. „Die Ernte ist zwar groß, aber der Arbeiter sind wenige. Bittet daher den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seinen Weinberg sende!“

Wir sollten in diesem so wichtigen Anliegen nicht bloß am Weltgebetstag um geistliche Berufe beten, und nicht nur an bestimmten Tagen im Monat wie am Priestersamstag, und nicht bloß an einem bestimmten Tag der Woche, etwa am Donnerstag (bei der Messe um Priesterberufe im Dom oder hier in Loreto) das Gebet um geistliche Berufe sollte tagtäglich einen festen Platz in unserem persönlichen Gebet haben. Die Sorge um Priester- und Ordensberufe sollte uns ein ganz persönliches Gebetsanliegen sein!

Wie viele Berufe sind wirklich erbetet worden von frommen Eltern, vor allem von guten Müttern.

Das Beten um geistliche Berufe ist aber nicht alles, was wir tun können und sollen, um dem großen Priestermangel und dem schmerzlichen Mangel an echten Ordensberufen abzuhelfen.

Erbetete Berufe müssen dann auch umsorgt werden, damit sie nicht absterben und verkümmern. Übrigens beruft Gott wohl nur ganz selten unmittelbar! Meistens bedient er sich dabei anderer Menschen. Wie kam Petrus zu seinem Beruf als Apostel? Er wurde von Gott nicht direkt und unmittelbar berufen, sondern durch seinen Bruder Andreas, der ihm erzählte, dass er den Messias gefunden habe... Der Apostel Nathanael-Bartholomeus wurde von seinem Freund Philippus zur Nachfolge Christi im Apostelberuf gewonnen. Im weiteren Verlauf der Kirchengeschichte war es dann oft so: vorbildliche Christen, vor allem vorbildliche, seeleneifrige Priester haben durch ihr Wort und Beispiel andere angesteckt und für den geistlichen Beruf begeistert. Auch heute könnte und sollte es so sein, aber vielfach ist es heute so, dass eher vom Priester- und Ordensberuf abgeredet und abgehalten wird, statt dafür zu begeistern. Und in manchen Familien, auch wirklich katholischen Familien herrscht heute leider oft ein Klima, welches den Gedanken an einen geistlichen Beruf bei den Kindern erst gar nicht aufkommen lässt oder eine Entscheidung für einen geistlichen Beruf erschwert. Von vielen Seiten ist das Familienleben heue bedroht.

Mannigfaltige negative Einflüsse schwächen heute die erzieherischen Möglichkeiten auch bester katholischer Eltern! Gerade darum aber sehen wir, wie unersetzlich und unbezahlbar das ist, was katholische Eltern ihren Kindern gegenüber leisten, wenn sie ihnen vom ersten Tag des Lebens an Wärme und Geborgenheit schenken, wenn sie ihnen Mut machen und Vertrauen einflößen in Jesus Christus, den guten Hirten, für den sein Leben einzusetzen ja doch auch heute noch der allerschönste Beruf ist!